Wie können AusbilderInnen den digitalen Raum nutzen, um die Auszubildenden auch digital zu begleiten? Wie können vor allem die neuen Möglichkeiten des digitalen Raums gewinnbringend eingesetzt werden? Und wie können Azubis dazu befähigt werden, selbstständig den digitalen Raum für die eigene Ausbildung zu nutzen?
Digitale Ausbildungsbegleitung kein vorübergehendes Phänomen
Diesen Fragen gingen wir im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der IHK Nordschwarzwald in einem durch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekt nach. Im Fokus standen dabei vor allem kleine und mittelständische Betriebe in der Region Nordschwarzwald. Bei vielen führten die Einschränkungen durch Covid-19 mit Blick auf die persönliche Ausbildungsbegleitung zu erheblichen Herausforderungen. Gleichzeitig wuchs jedoch die Gewissheit, dass der digitale Raum auch nach dem Rückgang der Einschränkungen ein relevanter Raum für die Ausbildung sein wird.
Abgestimmte Lehrgangsangebot für Ausbildende und Auszubildende
Entsprechend des ursprünglichen Konzepts wurden zwei Lehrgänge konzipiert, einer für Ausbildende und ein weiterer für Auszubildende. Die beiden Gruppen setzen sich aus unternehmensspezifischen Ausbilder-Azubi-Tandems zusammen. Die Idee dabei war, dass diese beiden Personen sich gegenseitig bereichern können. Der Lehrgang für die Azubis wurde fast zeitgleich mit den Abschlussmodul der Ausbildenden gestartet. Versucht wurde so, den Ausbildenden einen Lernvorsprung zu ermöglichen. Insbesondere bei den Ausbildenden mit geringer Digital-Affinität sollte dies ermöglichen, dennoch mit den Azubis Schritt zu halten.
Die beiden Lehrgänge wurden so konzipiert, dass sie aufeinander aufbauend ähnliche Erfahrungen ermöglichen, jedoch gezielt die unterschiedlichen Perspektiven der beiden Zielgruppen berücksichtigen. Zum Abschluss der Lehrgänge sollten die Ausbildenden fähig sein, die eigenen Azubis im digitalen Raum zu begleiten, gezielt Online-Session zu moderieren und vor- und nachbereitende Aufgaben auf digitalen Arbeitsboards bereitstellen zu können. Auch die Azubis wurden befähigt, den digitalen Raum zu gestalten – für Lerngruppen oder kleinere Workshops mit anderen Azubis. Im Gegensatz zu anderen Angeboten mit ähnlichem Fokus wurde bewusst die Tool-Anzahl reduziert. So wurde fast ausschließlich mit dem Videokonferenz-Tool Zoom und dem digitalen Arbeitsboard Conceptboard gearbeitet. Im Fokus standen daher weniger die Tools, sondern vielmehr die Methodik und Didaktik der Gestaltung des digitalen Raums und der Arbeit mit Menschen.
Lehrgang „Ausbilder (m/w/d) digital“
Um den Einstieg in den digitalen Raum so niedrigschwellig wie möglich zu gestalten, wurden vorbereitend für den Lehrgang „Technical Onboarding“ Termine in sehr kleinen Gruppen angeboten. Die fünf Module des eigentlichen Lehrgangs umfassten ein Volumen von 6 Tagen. Parallel dazu arbeiteten die Ausbildenden in Peer Groups an individuellen Projekten und hatten die Möglichkeit, hierfür individuelle oder Kleingruppen-Coaching-Termine in Anspruch zu nehmen.
Modul 1: Erste Schritte im digitalen Raum – den digitalen Raum gestalten
Kennenlernen und Verständnis für die Möglichkeiten des digitalen Raums (Technik, Mensch, Inhalt, Methoden)
Modul 2: Herausforderungen der Azubis verstehen
Kultur Selbstorganisation, Zusammenarbeit, Informationsbeschaffung, -bewertung und -aufbereitung
Modul 3: Informelle Kommunikation und Gruppengefühl für Azubis gestalten
OnBoarding, Teamentwicklung und Gruppenzusammenhalt pflegen, Aufbau persönlicher Beziehungen, Impulse zur Bewerbergewinnung
Modul 4: Inhaltliche Auseinandersetzung mit betrieblichen Themen fördern – synchron und asynchron
Kooperative Zusammenarbeit im digitalen Raum, visuelle Aufbereitung von Inhalten
Modul 5: Abschlussveranstaltung – Miteinander und voneinander lernen
Erfahrungsaustausch, Präsentation der Projektergebnisse aus den Transfergruppen
Lehrgang „Azubi (m/w/d) digital“
Modul 1: Gemeinsam ankommen – den digitalen Raum erleben und gestalten
Verständnis für Möglichkeiten des digitalen Raums (Technik, Mensch, Inhalt, Methoden), Start der Projektgruppen
Modul 2: Inhaltliche Auseinandersetzung mit betrieblichen Themen fördern – synchron und asynchron
Kooperative Zusammenarbeit im digitalen Raum, visuelle Aufbereitung und Präsentation von Inhalten
Modul 3: Neue Arbeitsformen und Herausforderungen des digitalen Raums entdecken
Informationsbeschaffung, -bewertung und -aufbereitung – agil, vernetzt und selbstorganisiert
Modul 4: Arbeit an den Projekten und Präsentationstechniken im digitalen Raum
Modul 5: Informelle Kommunikation und Zusammengehörigkeit gestalten
persönliche Stärken identifizieren und einbringen
Modul 6: Abschlussveranstaltung mit Präsentation der Ergebnisse aus den Projektgruppen
Vor und mit den Ausbildenden, anschließend Erfahrungsaustausch, Reflexion und Ausblick
Evaluationsergebnisse
Das Projekt wurde durch Dr. Karin Rott der Ludwig-Maximilian-Universität, München wissenschaftlich begleitet. Die begleitende Studie belegt anschaulich die Wirksamkeit der Maßnahmen. Sowohl bei den Ausbildenden als auch bei den Azubis wurden durchweg Bestnoten für die Inhalte, die begleitenden Materialien und die Moderatoren vergeben. Als Diskussionspunkt wurde in der Studie vor allem das notwendige zeitliche Investment, auch begleitend zu den gemeinsamen Lehrgangsterminen angegeben. Insbesondere mit Blick auf eine weitere Durchführung des Lehrgangs, gilt es diesen Aspekt kritisch zu prüfen und ggf. Konsequenzen daraus zu ziehen.
Anekdoten von uns als Facilitatoren
Die folgenden zwei persönliche Anekdoten sollen eine Idee geben, wie wir von Playful Insights die Entwicklung der Teilnehmenden erlebt haben:
- Während die Gruppe der Ausbildenden anfangs durch Skepsis gegenüber dem digitalen Raum und vorsichtiger, wenn auch gespannter Zurückhaltung geprägt war, waren die letzten Minuten des Lehrgangs ganz anders. Die Lehrgangsgruppe hatte sich ausschließlich im digitalen Raum zusammengefunden. Unser letztes Modul haben wir geplant etwa 20 Minuten früher zu Ende gebracht. Während sich in den meisten Fällen nach der offiziellen Verabschiedung die Gruppe schnell auflöst und noch den anderen anstehenden Aufgaben widmet blieben im letzten Modul alle in der Session. Keiner traute sich, auf den Button „Meeting verlassen“ zu drücken. Jedem war klar, dass dies vermutlich das letzte Mal sein wird, in dieser Gruppe zusammen zu sein. Erst nach fast einer halben Stunde verabschiedeten sich dann die ersten Teilnehmenden. Wie eng die Gruppe zusammengewachsen war und wie persönlich die Beziehungen wurden, wurde mit diesem Moment erst so richtig offensichtlich. Beziehungsaufbau ist im digitalen Raum also definitiv möglich.
- Auch die Stimmung bei den Azubis war am Anfang sehr zurückhaltend und vorsichtig. Diese Vorsicht bezog sich dabei weniger auf die Technik, sondern vielmehr darauf, dass sowohl wir als Moderatoren als auch die anderen Teilnehmenden unbekannt waren. Zudem startete die Gruppe ausgehend von wenig interaktiven Erfahrungen im digitalen Raum im schulischen Kontext. Bis zum Ende des Lehrgangs stiegen das Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, den Raum zu gestalten. Auch offene und unspezifische Fragen an die ganze Gruppe („Was ist bei euch passiert seit dem letzten Modul? Was möchtet ihr gerne teilen?“) führten zu einem wertschätzenden und intensiven Austausch. Welchen Entwicklungsschub die Azubis jedoch gemacht hatten, wurde im Abschlussmodul so richtig offensichtlich. Die Azubis waren eingeladen, die selbstentwickelten Methoden für ihre Projekte zu teilen und gemeinsam mit der gemischten Gruppe aus Azubis und den sehr zahlreich erschienenen Ausbildenden durchzuführen. Die Ergebnisse mussten sich dabei in keiner Weise hinter denen der Ausbildenden verstecken. Und darüber wurden sie erstaunlich souverän durch die Azubis selbst moderiert und begleitet.
Wir bedanken uns bei der Carl Hirsch und Manuel Brakopp der IHK Nordschwarzwald für die Möglichkeit, die beiden Gruppen intensiv zu begleiten. Vielen Dank auch an alle Teilnehmenden: Danke, dass Ihr Euch mit uns auf diese Lernreise begeben habt!